Tagtraum

Ich genieße den Blick auf die Staatsoper, denn hier beginnen meine Tagträume. Gegen Nachmittag, nachdem ich meine Stulle schmatzend verspeist habe und ein kühles Bierchen meine verkrümelte Speiseröhre wieder gesäubert hat, mache ich mich auf in den Schlosspark. Mit in meinem Gepäck habe ich einen Stuttgarter Charakterwein Orange A23, ein schön aufpoliertes Glas schützend eingewickelt in feinen sauberen Küchentüchern und eine kleine Auswahl an verschiedenen Käsesorten verpackt in einer Dose, die ich vor kurzem auf einer recht ungewöhnlichen „Party“ geschenkt bekommen habe. Auf diese Party kann ich ggfs. ein anderes Mal eingehen. Ich lehne mich auf meiner Lieblingsbank zurück, stütze meine Arme auf der Rückenlehne ab und lasse die Show in meinem Kopf beginnen. Heute eröffne ich mein eigenes Stück in einer Sprache, die ich bei meinen Besuchen beim Italiener nebenan aufgeschnappt habe. Ich habe keine Ahnung, worüber ich da singe oder worum es überhaupt geht, doch in meiner Welt wird es phantastisch. Mein Toupet sitzt, der Anzug ist frisch aufgebügelt und ich spüre das erwartungsvolle Publikum hinter dem schweren Vorhang. Das Orchester beginnt zu spielen, der Vorhang öffnet sich, ich schreite genau drei Schritte nach Vorne ins Scheinwerferlicht und beginne mit voller Dynamik in meiner Stimme zu performen.